Debattenbeitrag im Schwäbischen Tagblatt

Folgender Text von mir ist letzten Mittwoch im Schwäbischen Tagblatt auf einer Doppelseite zu den Tübinger Affenversuchen erschienen. Daneben gab es zwei Artikel zur Verteidigung der Experimente von Martin Stratmann, Präsident der Max-Planck-Gesellschaft Deutschland, und Hans-Peter Thier, Vorsitzender des CIN Tübingen.

Ethisch nicht begründbar

Das Erschreckende ist eigentlich, dass über die Affenversuche in Tübingen überhaupt noch diskutiert wird. Wir haben doch die Bilder aus den Laboren gesehen, wir haben doch gelesen, was mit den Affen am Max-Planck-Institut geschieht. Wir wissen doch alle, dass dort hochempfindsame Lebewesen in kleinen Käfigen leben, dass ihnen die Schädel aufgebohrt werden, dass sie stundenlang an Kopf und Hals fixiert werden, dass sie an operationsbedingten Verletzungen leiden. Ist es nicht offensichtlich, dass all das ein schreckliches Unrecht ist? Wie kann man die Recherche-Bilder anschauen und nicht innerlich zusammenschauern? Wie kann man daraus nicht die Konsequenz ziehen, dass diese Versuche sofort aufhören müssen?

In der gegenwärtigen Gesellschaft ist eine solche Konsequenz leider nicht offensichtlich. Stattdessen wird das Spiel der Gründe und Rechtfertigungen gespielt, das Spiel der politischen Debatte. Das ist in diesem Fall kein Zeichen von demokratischer Kultur. Diese macht es vielmehr aus, dass bestimmte Grundwerte eben nicht bezweifelt werden. Dass über die Affenversuche in Tübingen überhaupt diskutiert wird, ist vielmehr ein Zeichen dafür, wie groß die Macht der Tierversuchslobby ist.

Da aber nun diskutiert wird, spiele ich eben mit. Denn es ist ja nicht so, dass die naheliegende Reaktion von Abscheu und Empörung einer sachlichen Debatte nicht standhalten könnte. Im Gegenteil: Ich denke, dass sich die Tübinger Affenversuche nicht rechtfertigen lassen. Dazu möchte ich untersuchen, mit welchen Argumentationsstrategien sie typischerweise verteidigt werden.

Die erste Strategie setzt am „Wie“ an und versucht zu zeigen, dass die Versuche besonders schonend für die Tiere gestaltet würden. In den Recherche-Bildern sieht man rohe Gewalt und Brutalität, verletzte und verängstige Affen. In der Stellungnahme des Max-Planck-Instituts dagegen heißt es, die Mitarbeiter zeigten größte Sorgfalt beim Umgang mit den Tieren. Bestehende Mängel in der Versorgung der Affen sollten durch verstärkte tierärztliche Betreuung aufgehoben werden. Gern wird auch behauptet, die Affen machten freiwillig mit und fühlten sich wohl. Nicht nur, dass die Recherche-Bilder das Gegenteil beweisen – wer kann ernsthaft glauben, dass auch bei Ausbleiben der schlimmsten Gewalt ein Leben im Labor und ein regelmäßiges Festgeschraubtsein im Primatenstuhl für diese Tiere kein schreckliches Schicksal wäre?

Wer die Versuche verteidigt, muss also auch das „Ob“ diskutieren: Was gibt uns das Recht, fühlende Individuen wie Frachtgut nach Deutschland zu fliegen, sie ihr Leben lang zu quälen und schließlich umzubringen? In der Stellungnahme wird Prof. Stratmann mit der Aussage zitiert, dass „nach wie vor die Notwendigkeit zu tierexperimenteller Forschung – auch mit nichthumanen Primaten – bestehe, um zentrale wissenschaftliche Fragen zu beantworten und damit u.a. auch die Grundlagen zu schaffen für neue Behandlungsansätze in der Medizin“.

Der medizinische Nutzen der Tübinger Versuche ist bekanntlich mehr als zweifelhaft. Aber selbst wenn man annehmen würde, dass die gewonnenen Erkenntnisse irgendeinen Wert jenseits der Befriedigung wissenschaftlicher Neugier hätten – es gibt keine ernstzunehmende Position im Bereich der Tierethik, auf deren Grundlage man argumentieren könnte, dass ein solch ferner und zweifelhafter Wert das immense Leid der Versuchsaffen rechtfertigen würde.

Ich selbst denke darüber hinaus, dass wir Menschen gar kein Recht haben, uns fühlende Wesen zu unseren eigenen Zwecken zunutze zu machen. Zugegeben, hier gibt es Diskussionsbedarf. Gerade diese Diskussion wird von der Verteidigern der Tierversuche aber oft abgeblockt – mithilfe der dritten Strategie, die lautet nämlich „Diffamierung der Gegner“. Wer grundsätzlich gegen Tierversuche oder gar für die allgemeine gesellschaftliche Tierbefreiung eintritt, wird als forschungsfeindlich, menschenfeindlich, dumm oder verrückt diffamiert. Nichts davon trifft zu. Wir sind überzeugt, dass eine tierversuchsfreie Forschung möglich und auch für Menschen besser ist. Wir haben gute Argumente für unsere Forderungen. Wir haben auch Konzepte, wie eine friedlichere Welt mit weniger Ausbeutung und Gewalt gegen Tiere aussehen könnte.

Darüber möchte ich gerne noch viel diskutieren. Aber ob offensichtliche Grausamkeiten vielleicht doch ok sind, diese Debatte müssen wir beenden. Dafür müssen wir die Macht der Tierversuchslobby brechen. Indem wir demonstrieren und politisch aktiv werden. Indem wir ihren Märchen widersprechen, auch wenn das in unseren beruflichen Kreisen nicht gut ankommt. Indem wir uns trauen, uns auf unser moralisches Empfinden zu verlassen und danach zu handeln.

One Reply to “Debattenbeitrag im Schwäbischen Tagblatt”

  1. Die Art von Mensch, die in der Lage sind, Tierversuche durchzuführen und zu beführworten sind scheinbar die gleiche Art von Mensch, die im Mittelalter für die Inquisitation von tausenden unschuldigen Menschen verantwortlich war. Diese Art von Mensch glaubte zudem, unschuldige Menschen foltern zu lassen, da diese Unschuldigen angeblich dem Teufel begegnet und verfallen seien. Aber auf die Idee, dass diese Art von Mensch, die für die Folterungen Unschuldiger verantwortlich waren selbst den Teufel in sich hatten, auf diese Idee kamen sie nicht… Die scheinbare Ausrede, durch Tierversuche für die Menschheit etwas “sinnvolles” zu tun und angeblich zu “helfen” trifft somit scheinbar ins Schwarze. Die heutige Durchführung der Inquisitation hat sich von unschuldigen Menschen auf unschuldige Tiere verlagert – im “Namen der Wissenschaft”.

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